Redispatch 2.0 in der Praxis – Prozesse, Marktrollen und wirtschaftliche Dimension
Redispatch 2.0 in der Praxis – Prozesse, Marktrollen und wirtschaftliche Dimension
Nach der Einführung von Redispatch 2.0 am 1. Oktober 2021 wurde schnell klar: Neben den technischen Neuerungen braucht es auch neue Abläufe, Rollen und Abrechnungsmechanismen, damit das System massentauglich funktioniert. In diesem Beitrag schauen wir genauer auf die Praxis – von Abrechnungsmodellen über den Aufforderungs- und Duldungsfall bis hin zur Übergangslösung des BDEW und den ökonomischen Auswirkungen.
Wie wird die „verlorene“ Energiemenge einer Redispatch-Maßnahme eigentlich berechnet? Die Antwort hängt vom Anlagentyp ab:
Während Pauschal ohne Wetterbezug rechnet, nutzen Spitz-Varianten zusätzlich Wetterdaten. Bei nicht-fluktuierenden Anlagen wird häufig der letzte gemessene Viertelstundenwert vor der Maßnahme über die Dauer der Schaltung ausgerollt.
Die genauen Berechnungsformeln sind in den Beschlüssen der BNetzA BK6-20-059 geregelt.
· Aufforderungsfall: Der Netzbetreiber fordert den Einsatzverantwortlichen oder Betreiber auf, die Leistung der Anlage selbst anzupassen.
· Duldungsfall: Der Netzbetreiber greift direkt über Fernwirktechnik ein – der Betreiber muss den Eingriff „dulden“.
Gerade bei erneuerbaren Anlagen ist der Duldungsfall die häufigere Realität. Die Unterscheidung ist wichtig, weil sie Kommunikationsprozesse und Pflichten beeinflusst.
Damit der Austausch zwischen hunderten Netzbetreibern und tausenden Anlagenbetreibern funktioniert, wurden neue Marktrollen geschaffen:
Die Prozesse – von Stammdaten und Planwerten über Nichtbeanspruchbarkeiten bis hin zum Abruf – sindstandardisiert und auf Massenprozesse ausgelegt. Nur so lässt sich die Komplexität effizient bewältigen.
Eigentlich war vorgesehen, dass der bilanzielle Ausgleich über den Day-Ahead-Markt erfolgt – mit energiemengenbasierter Abwicklung und einem neuen MaBiS-Kapitel 17 für die EDIFACT-Kommunikation.
Doch zum Start 2021 zeigte sich: Die Umsetzungsfrist war extrem kurz, Software fehlte, Prozesse waren lückenhaft.
Die Lösung: eine BDEW-Übergangslösung. Statt energetisch auszugleichen, wird seitdem überwiegend finanziell ex-post kompensiert. Schritt für Schritt wird die Prozesskette weiterentwickelt und das ursprünglich geplante Modell in Richtung Produktivreife gebracht.
Redispatch ist nicht nur technisch, sondern auch ökonomisch relevant. Laut einer aktuellen Prognose der Übertragungsnetzbetreiber belaufen sich die Redispatch-Kosten in der kommenden Saison auf rund vier Milliarden Euro – knapp eine Milliarde Euro weniger als ursprünglich erwartet (ZfK.de).
Das ist wichtig, weil diese Kosten über die Netzentgelte letztlich auch die Verbraucher betreffen. Die Korrektur nach unten zeigt, dass sich die Prozesse stabilisieren – gleichzeitig bleibt Redispatch einer der größten Kostenblöcke im Netzbetrieb.
Redispatch 2.0 hat das Engpassmanagement revolutioniert. Alle Anlagen ab 100 kW sind eingebunden, der bilanzielle Ausgleich schützt die Marktteilnehmer, und die neuen Prozesse setzen auf Standardisierung. Gleichzeitig zeigt der Blick auf die wirtschaftliche Seite, wie groß die finanziellen Auswirkungen sind.
👉 Im dritten Teil unserer Blogreihe wagen wir den Ausblick: Welche Perspektiven und Herausforderungen mit dem geplanten Redispatch 3.0 verbunden sind – darunter die Integration von Kleinstanlagen unter 100 kW, innovative IT‑Architekturen und die Entstehung neuer Marktmechanismen.