Redispatch 2.0 verstehen – Grundlagen und Neuerungen

Von
Maxim Komina
September 29, 2025
3 Minuten

Redispatch 2.0 verstehen – Grundlagen und Neuerungen

Seit dem 1. Oktober 2021 gilt in Deutschland das Redispatch 2.0. Es verändert die Regeln im Engpassmanagement grundlegend und sorgt dafür, dass unser Stromnetz auch in einer dezentralen Energiewelt stabil bleibt.

Um das Prinzip zu verstehen, hilft ein Bild aus dem Alltag: Stellen Sie sich das Stromnetz wie eine Autobahn vor. Kommt es zu einem Stau (Netzengpass), müssen Fahrzeuge vor der Engstelle abbremsen, während andere dahinter beschleunigen – damit der Verkehr im Fluss bleibt. Genau so funktioniert Redispatch.

Was ist neu an Redispatch 2.0?

Früher beschränkte sich Redispatch auf konventionelle Großkraftwerke. Mit Redispatch 2.0 wurden das bisherige Einspeisemanagement und der klassische Redispatch in einem Verfahren zusammengeführt.

Nach EnWG § 13a gilt:

  • Alle Erzeugungs- und Speicheranlagen ab 100 kW Nennleistung müssen am Redispatch teilnehmen.
  • Auch kleinere Anlagen (< 100 kW) können betroffen sein, sofern sie fernsteuerbar sind.
  • Damit werden erstmals auch EE-Anlagen (Wind, Solar), KWK-Anlagen, Speicher und große Verbraucher im größeren Stil einbezogen.

Der bilanzielle Ausgleich – fairer Ausgleich für Betreiber

Eine der zentralen Neuerungen ist der verpflichtende bilanzielle Ausgleich. Ziel ist es, dass betroffene Marktteilnehmer so gestellt werden, als hätte es die Redispatch-Maßnahme nie gegeben.

Ein Beispiel: Ein Windparkbetreiber hat Strommengen an der Börse verkauft. Muss er seine Anlage aufgrund einer Redispatch-Anweisung drosseln, entsteht eine Lücke im Bilanzkreis. Diese wird durch den Netzbetreiber bilanziell geschlossen.

Dafür gibt es zwei Modelle:

Planwertmodell
  • Für Anlagen, die im Voraus detaillierte Fahrpläne liefern.
  • Der Ausgleich entspricht der Differenz zwischen geplantem und tatsächlich gefahrenem Wert.
  • Verpflichtend ist das Modell in der Regel ab 10 MW – in der Startphase vor allem für direkt am Höchstspannungsnetz (380 kV) angeschlossene Anlagen relevant (BDEW-Übergangslösung).
Prognosemodell
  • Standard für kleinere Anlagen ohne Fahrplan.
  • Der Ausgleich erfolgt ex-post auf Basis der sogenannten Ausfallarbeit – also der Energiemenge, die ohne Redispatch erzeugt worden wäre.
  • Abwicklung über Überführungszeitreihen in der MaBiS.

Redispatch 2.0 in der Praxis

Mit der Einführung von Redispatch 2.0 wurden plötzlich tausende zusätzliche Anlagen in die Prozesse eingebunden. Das brachte erhebliche Veränderungen mit sich: Der Kommunikationsaufwand zwischen Netz- und Anlagenbetreibern nahm deutlich zu, gleichzeitig stiegen die technischen Anforderungen, beispielsweise hinsichtlich Fernsteuerbarkeit und der Bereitstellung von Datenmeldungen. Zudem kamen auf viele Betreiber neue Pflichten zu, die sie zuvor kaum oder gar nicht betroffen hatten. Gerade kleinere Akteure standen dadurch vor spürbaren organisatorischen und technischen Herausforderungen.

Fazit – ein wichtiger Schritt für die Netzstabilität

Redispatch 2.0 ist weit mehr als eine technische Reform. Es sorgt dafür, dass Netzsicherheit in einer erneuerbaren, dezentralen Energiewelt funktioniert.

  • Einbeziehung aller relevanten Anlagen ab 100 kW (§ 13a EnWG)
  • Schutz der Marktteilnehmer durch den bilanziellen Ausgleich
  • Einheitliches Verfahren statt getrennter Systeme

👉 Im zweiten Teil dieser Reihe zeigen wir, welche neuen Marktrollen und Prozesse geschaffen wurden – und warum Redispatch 2.0 nicht nur eine technische, sondern auch eine ökonomische Dimension hat.